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This document is part of the Ocean Girl Archive — Last update: 2009-02-15 — sourcemeta

Author:Peter Hepworth
Published:1994-01-01
Archived:2008-05-08

13. Die Verwandlung

In den folgenden Tagen wurde Neri zu einem regelmäßigen Besucher auf ORCA. Jeden Morgen warteten Jason und Brett auf sie, stellten sicher, dass keine Gefahr bestand und geleiteten sie dann an Bord und ins Labor, wo Mom wartete. Später holten sie Neri wieder ab und ihr schauten ihr hinterher, wenn sie sich auf den Weg zurück zur Insel machte.

Eines Nachmittags, als sie verkündeten, dass es Zeit für Neri sei, nach Hause zu gehen, schnappte Dianne zu. Es sei unmöglich, das ständige Kommen und Gehen mit der Arbeit zu vereinbaren. Und da viele der Wale der Gegend sich bereits auf die lange Reise in Richtung Süden machten, lief ihnen die Zeit davon, in der sie mit Charley Kontakt hatten. Sie nahm Neris Hände und schaute ihr in die Augen.

„Neri, wenn ich es veranlassen könnte, wie würde es dir gefallen, eine kleine Weile hier auf ORCA zu bleiben?“

Es war ein aufgeregter Unterton in Neri’s Stimme. „Bei der Familie bleiben?“

„Ja.“

„Ich will sehr gerne.“

Dianne ging an den Kommunikator und rief Lucas an. Sie hätte eine junge Dame, die ihnen bei ihrer Forschung half, erklärte sie, und es sei sehr wichtig, dass sie in Rufweite sei, wenn sie gebraucht wurde. Daher hätten sie gerne, dass ihr ein unbeschränkter Ausweis zugewiesen würde. Lucas runzelte die Stirn. Es wäre sehr unüblich, sagte er. Außerdem bezweifelte er, dass noch eine Reservekabine übrig sei. „In meiner Kabine ist ein Zusatzbett“, entgegnete Dianne. „Ich werde die volle Verantwortung für sie übernehmen.“

Lucas schien sich nicht sicher zu sein.

Dianne spielte ihren Joker aus. „Wenn nötig, werde ich mich damit an Jan Slater und die Geschäftsführung wenden.“

Lucas seufzte verärgert. „Ach so, dann ist es in Ordnung. Ich werde es mit dem Personal klären. Geben sie denen die Einzelheiten und lassen sie sich die ID-Karte anpassen.“ Der Schirm wurde schwarz.

Diese Nacht lag Neri unbeholfen auf einer Matratze, die ungewohnt weich für sie war, während Mom die Leselampe ausschaltete. „Es wird ein harter Tag morgen“, sagte sie.

Neri lächelte als sie das Licht ausknipste. Beim Liegen in der Dunkelheit glaubte Neri, Charley singen zu hören und sag zurück, ich bin hier. Ich komme bald zurück.

Doch in der Aufregung des Augenblicks schien sein Ruf merkwürdig weit weg zu sein und sich ständig weiter zu entfernen.

Beim Frühstück am nächsten Morgen zog Neri wenig Aufmerksamkeit auf sich. Vanessa beobachtete sie mit dem gewöhnlichen Misstrauen und Lee schien irgendwie enttäuscht, sie mit Jason ankommen zu sehen, doch die anderen waren zu beschäftigt mit der bevorstehenden Jugendparty auf ORCA.

Die Party war ein großes gesellschaftliches Ereignis und die Luft war voller Diskussionen darüber, wer welche Kleider trug und wer wessen Partner war.

Neri saß da und hörte fasziniert zu während sie Löffel voller Revegiton in ihrem Mund schaufelte.

Am Tisch daneben jedoch wurden bedrohlichere Dinge besprochen. „Mom glaubt mir nicht“, sagte Brett zu Froggy und Zoe, „aber ich schwöre euch, ich habe vergangene Nacht jemanden im Labor gehört.“

„Aber wenn die Tür verriegelt ist, wie ist der dann da rein gekommen?“

fragte Zoe.

„Keine Ahnung! Aber irgendwie hat er es geschafft.“

„Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden“, sagte Froggy leise. „Ein Bewegungsmelder.“

„Wer besitzt denn so was?“

„Ich. Ich habe ihn vor Jahren für mein Wissenschaftsprojekt in der vierten Klasse gebaut. Oh, und wir brauchen noch etwas anderes. Weißen Puder.“

Diesen Abend schmuggelte Brett Dianne’s Schlüsselkarte in seine Tasche und ging zu seinen Freunden vor dem Labor. Mit Hilfe der Karte betraten sie es. Sie begannen an der hinteren Seite des Raumes und streuten eine feine Puderschicht quer über den Boden während sie sich auf dem Weg zurück durch die Tür immer weiter verarbeiteten. Als sie fertig waren, legte Froggy einen metallenen Würfel mit einem elektronischen Auge auf eine Bank in der Nähe und demonstrierte ihnen ein Empfangsmonitor. Als er mit der Hand vor dem Gerät winkte, begann ein Licht am Monitor zu blinken. Zufrieden machte Froggy das Gerät wieder scharf. Dann schlossen sie die Türe und zogen sich in eine dunkle Nische weiter unten im Korridor zurück.

Sie wussten schon nicht mehr, wie lange sie bereits da standen, als plötzlich Zoe Froggys Arm packte und hektisch flüsterte: „Froggy! Schau mal!“

Sie deutete mit dem Finger. Das Licht auf dem Monitor blinkte. Sie rannten zur Tür. Während Brett mit der Karte herumfummelte, konnten sie hastige Geräusche von innen hören, gefolgt von einem metallischen Klirren. Brett schaffte es, die Türe zu entriegeln und sie rannten hinein.

Auf den ersten Blick schien der Ort verlassen zu sein, doch ein Stapel von Dianne’s Wahlgesang-Aufnahmen, die von ihren Regal genommen und hastig zurückgelassen worden waren zeugten von jemandem, der da gewesen sein musste. Auf der Bank neben ihnen lag ein Gerät, das Froggy sofort als Hochgeschwindigkeits-Tonbandgerät erkannte, mit dem man Kopieen anfertigte. Und dann sah er die Fußspuren im Puder. Sie führten vom Luftschacht aus der Wand heraus und den gleichen Weg wieder nach draußen. Das Gitter hing lose in seiner Verankerung. Sie nahmen es ab und krochen hinein, um die Verfolung aufzunehmen.

Der Schacht, den sie entlangkrabbelten, war eng und dunkel, doch sie konnten stoßende und klirrende Geräusche von jemandem hören, der vor ihnen schwerfällig zu entkommen versuchte. Als sie an einem Punkt ankamen, wo der Schacht sich in zwei Wege teilte, trennten sie sich, Froggy und Zoe gingen den einen, Brett den anderen Weg. Froggy und Zoe schoben sich gerade mit Hochgeschwindigkeit vorwärts, als der Schacht unter ihnen plötzlich in einem steilen Winkel abknickte. Es war zu spät, um anzuhalten. „Ahhh!“

schrien sie wie aus einem Mund während sie hilflos nach unten rutschten und dabei an Geschwindigkeit zunahmen.

Sie trafen unten mit solch einer Wucht auf das Gitter, dass es herausgeschleudert wurde und sie an der hinteren Wand herausgeflogen kamen. Sie standen auf und schüttelten sich. Zu ihrem Schrecken bemerkten sie, dass sie auf dem Boden von Lucas’ Kabine saßen während er, in Unterwäsche und einem Paar alter Pantoffel, da saß und sie anstarrte als sei er vom Blitz getroffen worden.

In der Zwischenzeit sah Brett das Licht am Ende des Schachts näherkommen, dem er gefolgt war. Das Gitter war entfernt worden. Eindeutig war der Eindringling hier herausgegangen. Brett setzte ihm nach und fand sich in einem Korridor wieder. Er lief weiter und tauchte in der Empfangszone auf.

Die Bewegung der sich schließenden Türe des Hauptaufzugs lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Er schaute hinüber — gerade rechtzeitig, um einen Blick auf das hübsche, aber ängstliche Gesicht von Billy Neilson zu werfen, bevor sich die Türe schloß und er sich aus dem Staub machte.

Nachdem der Aufzug zurückgekommen und Brett auf die Plattform gefahren war, konnte er nur noch die entfernenden Lichter eines kleinen Bootes sehen, das in der tintenschwarzen Nacht verschwand.


Ein Computerbild von Billy’s Gesicht blickte vom Bildschirm des Kommunikators im Labor herab.

„Wilhelm Neilson“, sagte Lucas. „Nach unseren Informationen kam er gerade vor sechs Wochen an Bord, um in der Computerabteilung zu arbeiten.

Es war jedoch zweifelsfrei eine Tarnung. Er wurde sicherlich von jemandem hier eingeschleust.“

„Können sie nicht herausfinden von wem?“ fragte Brett.

„Wir haben das Boot lokalisiert, das er benutzt hat. Es wurde an einer Hafenmole auf dem Festland zurückgelassen. Doch er scheint wie vom Erdboden verschluckt zu sein.“ Er schaute herüber zu Dianne und Winston, die ihre Geräte überprüften.

„Fehlt sonst noch irgendetwas, Dr. Bates?“

„Scheint nicht so.“

„Dann ist er gezielt hergekommen, um diese Aufnahmen von ihnen zu kopieren. Und das stellt micht wirklich vor ein Rätsel. Bei allem Respekt, Doktor, wer würde so weit gehen, um an die ranzukommen? Und warum?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete Dianne. „Ich wünschte, könnte es ihnen sagen.“


Jason war in ihrem Quartier zurückgeblieben, um sich um Neri zu kümmern. „Jason“, fragte sie ihn völlig überraschend. „Was ist dieser Tanz?“

„Willst du wirklich unbegingt wissen, was Tanzen ist, Neri?“

„Nein. Mir erklären.“

„Tja, es wäre einfacher, wenn ich es dir zeige.“ Jason nahm den Octophonic-Spieler aus seiner Kabine. Er wählte eine Micro-Disk und steckte sie hinein. „Los gehts, stell dich mir gegenüber und mach es mir einfach nach.“

Zuerst schien Neri so steif und unbeweglich, dass Jason sich kaum das Lachen verkneifen konnte. Doch er ermutigte sie, weiterzumachen. „Beweg’ einfach deine Füße im Takt der Musik. Dann lässt du den übrigen Körper mitgehen.“ Nach einiger Zeit kam Mom herein, Neri fing an, das Prinzip zu verstehen und lächelte über das ganze Gesicht.

„Tut mir leid, dass ich euch beide unterbreche, aber wir haben diese Sache zusammen mit Lucas besprochen, so dass es Zeit wird, dass wir uns zurück an die Arbeit machen, Neri.“

Jason war dagegen. „Och, gib’ ihr doch mal eine Pause, oder? Sie kann nicht die ganze Zeit arbeiten.“

„Jason, wir haben diesen Morgen Stunden verloren wie es aussieht. Wir sind gerade in der Endephase eines sehr wichtigen Experiments und wir brauchen ihre Hilfe.“

„Tja, vielleicht will sie das gar nicht. Vielleicht würde sie lieber mit mir raus auf die Insel fahren.“

Neri ging dazwischen. „Nein, ich gehe morgen vielleicht auf die Insel.

Heute helfe ich Mutter, wenn sie mich braucht.“

„Da, siehst du? Ich weiß wirklich nicht, wo das Problem liegt, Jason.“

„Sie lebt nicht nur für deine Forschung! Du behandelst sie wie eines deiner Versuchstiere!“

„Das finde ich aber nicht. Seit dem Tage, an dem ich sie gefunden habe… “

„Du hast sie nicht gefunden, Mom“, betonte Jason lebhaft, „und ich auch nicht. Weil sie noch nie am falschen Platz war bis sie uns getroffen hat.“ Er ging unglücklich aus dem Raum.


Billy Neilson stand vor Dr. Hellegren im UBRI-Hauptquartier und versuchte, sich zu rechtfertigen. Er sagte, es täte ihm leid, dass seine Anwesenheit entdeckt worden sei, bevor er alle Tonbänder mit dem Walgesang hätte bekommen können. Hellegren schob die Entschuldigungen beiseite. „Du hast dir dein Geld verdient, mein Junge. Wir haben für den Moment alles, was wir brauchen.“

Sie hoben beide den Kopf als Johansson hineinkam. „Na?“ fragte Hellegren brennend vor Neugierde, „Wie schreiten die Dinge unten in der Bucht voran?“

„Der Zaun ist fast an seinem Platz. Laut dem Leiter der Aktion höchstens noch eine Woche.“

„Gut.“

„Denken sie wirklich, dass das funktioniert?“

„Johansson, nachdem, was Billy hier sagt, weiß jeder, dass Dr. Bates ihre Aufnahmen dazu verwendet hat, um den Wal anzulocken. Tja, wir haben jetzt exakt die gleichen Aufnahmen.“ — er legte die Hand auf den Stapel von Hüllen, die auf dem Stuhl vor ihm aufgeschichtet lagen — „Also ist es eine leichte Übung, es ihnen nachzumachen. Wir müssen nur die Aufmerksamkeit der Kreatur auf uns ziehen, sie in die Bucht locken und sie gehört uns.“


Einige Nächste später lagen Jason und Brett wach in ihrer Kabine und redeten leise miteinander.

„Hast du bemerkt, dass Neri sich irgendwie verändert?“ sagte Jason.

„Früher schien sie sich immer mit Charley zu unterhalten, aber sie hat ihn seit Tagen kaum mehr erwähnt. Und seit sie sich entschlossen hat, an Bord zu bleiben, war sie noch kein einziges Mal auf der Insel. Es ist, als hätte sie sich, wie soll ich sagen, irgendwie verwandelt.“

„Ja“, seufzte Brett. „Ich wünsche mir langsam, alles wäre so geblieben, wie es war, bevor die Erwachsenen sich eingemischt haben.“


Neri war um Halbschlaf und erhob sich. Einen Moment lang war es ihr so vorgekommen, als hätte sie jemand gerufen. Doch es musste ein Traum gewesen sein. Sie schaute hinüber auf die schlafende Gestalt auf dem anderen Bett. Mutter. Und in der anderen Kabine Jason und Brett. Sie war bei ihrer Familie. Zu Hause.

Mit einem leichten Lächeln drehte sie sich um und schlief wieder ein.