This document is part of the Ocean Girl Archive — Last update: 2009-02-15 — source — meta
Daggy trug eine Schachtel Papierschlangen als er an Neri und den Jungen im Korridor vorbeiging. „Hey, wir machen den Freizeitraum für die Party heute nacht fertig. Wollt ihr drei nicht mitkommen und helfen?“
„Tut uns leid, Dags, wir können nicht“, antwortete Jason. „Wir haben noch etwas anderes zu erledigen.“
„Ach so“, er wandte sich zu Neri. „Tja, wir sehen uns dann dort, Neri.
Vielleicht tanzen wir ein- oder zweimal miteinander, ja?“
Mit einem gelassenen Blick ging er rückwärts und stolperte über einen Mülleimer. Er rappelte sich auf und setzte, mit rotem Gesicht, seinen Weg fort.
Jason führte fröhlich den Weg zum Hauptlift an. Endlich hatte Neri eingewilligt, mit ihnen für einen Tag auf die Insel zu fahren. Das Boot wartete bereits oben, aufgetankt und fertig zur Abfahrt. Es würde bestimmte wieder wie in alten Zeiten werden.
Und dann tauchte Mom auf. Sie wollte, dass Neri für ein paar weitere Tests blieb, sagte sie. Zu Jasons Enttäuschung war sie einverstanden.
„Weißt du eigentlich, dass du nicht alles tun musst, worum sie dich bittet?“ sagte er als Dianne ausser Hörweite war.
Neri war erstaunt. „Aber sie ist Mutter.“
„Unsere, nicht deine“, deutete Jason an, aber als er den verletzten Blick in ihrem Gesicht sah, tat ihm leid, was er gesagt hatte. „Tja, wir werden jedenfalls trotzdem rausfahren“, murmelte er zu Brett.
„Vielleicht komme ich morgen“, sagte Neri.
„Dass sagst du seit Wochen“, antwortete Jason verärgert. Er und Brett gingen los und ließen sie widerwillig zurück.
„Fisch … Vogel … Stern … Baum … “
Neri saß auf einem Stuhl im Labor. Eine schwarze Brille mit angelegten Elektroden verband ihr die Augen. Dianne saß vor ihr und hielt Karten mit einfachen Bildsymbolen nach oben. Obwohl sie nichts sehen konnte, riet Neri jedes mal richtig. Dianne ging zu Winston herüber der den Hirnwellenscan betrachtete.
„Wie hat sie das gemacht?“ fragte sie leise.
Winston zuckte mit den Achseln. „Ich bin mir nicht sicher, aber es scheint, als würde sie irgendein Signal durch die Maske senden, das reflektiert wird.
Fast wie die Orientierung durch Echo, wie sie ihr Freund Charley benutzt.“
„Haben wir schon die Resultate ihres Bluttests?“
„Es dauert noch etwa Tag. Ich dachte, es sei vernünftiger, sie zur Analyse auf das Festland zu schicken. Wenn wir das hier getan hätten, hätte vielleicht jemand angefangen Fragen zu stellen.“
„Haben sie mehr Zeichnungen?“ rief Neri.
„Nein, Neri“, sagte Dianne und kam zu ihr zurück. „Ich denke, das ist genug für heute. Komm, wir gehen heim und machen dich für die Party fertig.“
„Kann ich gehen?“ sie klang überrascht.
„Natürlich. Ich habe über das nachgedacht, was Jason gesagt hat, und vielleicht hat er recht. Es ist Zeit, dass du zur Abwechslung auch mal Spaß hast.“
Neri schaute immer noch etwas zweifelnd. Sie wusste, dass alle anderen besondere Kleider tragen würden.
„Das überlässt du mal mir“, lächelte Dianne. „Wir werden sie alle plattmachen.“
„Tja, es freut mich zu hören, dass sie so enthusiastisch wegen dieser Tanzparty sind, Dr. Bates“, sagte Lucas als er hereinkam. „Weil ich ein paar Anstandswauwaus brauche und sie und Dr. Bates sich ja zur Verfügung stellen.“
Dianne verzog das Gesicht, doch Lucas Aufmerksamkeit wurde bereits vom Anblick Neris mit der merkwürdigen Brille und den daran angebrachten Dräten angezogen.
„Wer ist das?“
„Neri. Das Mädchen, vom dem ich ihnen erzählt habe.“
„Was um alles in der Welt machen sie mit ihr?“ fragte er.
„Das ist eine hochtechnische Sache, Commander, und es würde lange dauern, das zu erklären“, sagte sie. „Jedenfalls sind wir jetzt fertig.“
Als er hinausging, hielt Lucas in der Tür kurz inne und schaute zurück auf die Gestalt, die mit dem merkwürdigen Gerät verkabelt war. Was er sah beunruhigte ihn.
Zurück in ihrer Kabine nahm Dianne mehrere Kleider von ihren Bügeln und hielt sie gegen Neri. „Ich habe sie gekauft, weil ich dachte, es gäbe Anlässe, zu denen ich sie tragen könnte“, sagte sie ironisch. „Ich muss verrückt gewesen sein. Du hast Glück, dass mir meine Großmutter gezeigt hat, wie man näht.“ Sie suchte ein Kleid aus, nahm eine große Schere und begann daran herumzuschneidern ----------
Jason und Brett saßen am Strand und schauten Charley zu, wie er sich ständig vorwärts und rückwärts zwischen den Armen der Bucht bewegte. Sie schwiegen lange bevor Jason schließlich sprach.
„Machen wir uns nichts vor, die Insel ist nicht das gleiche ohne sie. Es ist alles, ich weiß nicht, irgendwie anders.“ Er schaute nach draußen wo der Wal weiterhin seine Kreise zog. „Ich glaube, er vermisst sie auch“, fügte er hinzu.
In einiger Entfernung draußen im Ozean hatte Dr. Hellegren es geschafft, den leistungsstarken Hydrotransmitter hinter dem UBRI-Boot ins Wasser zu lassen. Er schaute ständig zu seinem Team von Tontechnikern, die um das Abspielgerät herum standen, das bereits mit Aufnahmen gefüttert worden war.
„Sehr gut, schalten sie es ein.“
Charleys Lied, mit Neris vermischt, begann durch die Tiefe zu rauschen.
Auf der Insel runzelte Brett die Stirn, als er sah, wie der Wal plötzlich an die Oberfläche kam und sich dann in Richtung Meer drehte. Er gab Jason einen Schubs. „Hey, Schau mal. Was ist denn da los?“
Beide blickten erstaunt als er tauchte und verschwand.
„Er nähert sich uns!“ rief Hellegren aufgeregt und vertiefte sich über einem Bildschirm. Er wandte sich zum Steuermann. „Warten sie bis ich ihnen die Anweisung erteile und fahren sie dann zur Landseite hin, schön langsam. Mit etwas Glück wird er uns den ganzen Weg über folgen.“
Dianne umkreiste Neri und begutachtete das Kleid kritisch. „Tja, der Saum ist nicht perkekt, aber zumindest passt es mehr oder weniger. Jetzt kümmern wir uns um den Rest von dir.“
Während sie mit der Haarbürste und der Schminke zurechtgemacht wurde, grinste Neri über die Verwandlung, die sie über den Spiegel verfolgen konnte.
Dianne lächelte. „Weißt du, nur unter uns beiden, ich habe mir eigentlich immer eine Tochter gewünscht“, gestand sie. „Natürlich nicht, dass ich die Jungen nicht mag“, fügte sie schnell hjnzu.
„Mehr als die Arbeit?“ fragte Neri, plötzlich mit ernstem Gesicht.
„Aber natürlich. Was für eine Frage. Warum fragst du?“
„Weil ich denke dass sie das manchmal nicht wissen.“
Dianne war verblüfft. Manchmal war die Ehrlichkeit des Mädchens atmenberaubend. Und selbst jetzt konnte sie den Kern der Wahrheit nicht leugnen. Vielleicht schien es den Jungen manchmal, dass sie sich mehr um ihre Karriere als um die beiden kümmerte…
Ein Klopfen an der Kabinentür unterbrach ihre Gedanken. „Hey, wir sind zurück“, rief Jason. „Ist Neri da?“
„Ja, aber wir brauchen noch eine Weile. Ihr könnte euch anziehen und schon mal vorausgehen. Wir treffen uns auf der Party.
Jason und Brett zuckten mit den Achseln und zogen sich um.
„Langsam, langsam“, warnte Hellegren den Steuermann. Sie näherten sich dem Land und obwohl der Wal immer noch hinter ihnen war, wollten sie nicht, dass er Verdacht schöpfte und zurück ins tiefere Wasser schwamm.
Er gab die Nummer für das UBRI-Hauptquartier in seinen Kommunikator ein. Johannson hob ab.
„Wir sind ungefähr neuzig Minuten von der Basis entfernt und kommen näher“, informierte Hellegren ihn. „Lassen sie den Zaum runter und sagen sie dem Personal, dass jeder sich auf seinen Posten begeben soll. Niemand darf einen Fehler machen. Dass könnte unsere einzige Chance sein.“
Der Freizeitraum auf ORCA pochte im Takt der Musik. Auf der Tanzfläche alberten Brett, Froggy und Zoe zusammen rum während Jodie eine Serie von sich ständig ändernden Tanzpartnern abfertigte. Sogar Vanessa, die den Großteil des Abends damit verbracht hatte, alleine rumzusitzen war schließlich zum Tanz aufgefordert worden. Sie stand jetzt an einer Stelle und tanzte selbstbewußt während Winston gegenüber von ihr wie eine wahnsinnige Heuschrecke herumhüpfte.
Jason und Lee unterhielten sich mit Daggy an der Bar als Dianne mit Neri hineinkam. Jason drehte sich um, sah sie und riss die Augen weit auf.
Sie stand in der Tür, schaute unsicher umher. Das Kleid war ihm nicht unbekannt — Jason erinnerte sich vage, dass Mom einmal ein sehr ähnliches getragen hatte — doch der Rest war völlig anders. Ihr Haar, sonst eine ungebändigte Mähne von verwickelten Locken, war zurückgekämmt und über den Kopf gesteckt. Das rötliche Leuchten ihrer gebräunten Haut war irgendwie weicher und hob das Grün ihrer Augen und den Bogen ihrer Wangen hervor. An den Füßen trug sie in Paar von Moms hochhackigen Schuhen, in denen sie leicht wippte.
Jason überquerte die Fläche und ging zu ihr hoch. „Neri!“ sagte er verwundert. „Du siehst ja aus wie ein richtiges Mädchen!“
Sie lächelte. Er nickte in Richtung der Fläche und jemand drehte die Musik auf.
In der Biologie-Abteilung war es ruhig und die Stille wurde nur von einem leisen Klick der General-Keykarte unterbrochen, die das Bates-Labor entriegelte.
Lucas schloß die Türe dicht hinter sich und schaltete das Licht an. Hier ging etwas merkwürdiges vor sich; er fühlte es in seinem innersten. Leute brachen ein, um Material zu stehlen. Dieses merkwürdige Experiment mit dem Mädchen. Hier war mehr los als er mit bloßem Auge sehen konnte und es war seine Pflicht herauszufinden, was es war.
Er setzte sich an das Computer-Terminal und entschlüsselte ihre Forschungsdateien, indem er den Code umging. Er durchsuchte die Liste. Keiner der Namen schien ihm einen Sinn zu machen. Bis auf einen. War das nicht der Name des Mädchens?“
Er gab N-E-R-I ein und bestätigte.
„Er ist drin!“ rief Hellegren. „Ziehen sie den Zaun hoch! Jetzt!“
An beiden Seiten summte es gleichmäßig, riesige Trommeln begannen sich zu drehen und die Seile aufzuwickeln, die den Zaun auf beiden Seiten festhielten. Nachdem sie sich gestrafft hatten, hoben sie den Zaun aus dem Wasser, bis er eine solide Absperrung über die Mündung der Bucht hinweg bildete und sie vom Meer dahinter abschnitt. Nachdem er verankert war, stand er drei Meter über dem Wasser und erstreckte sich unter der Oberfläche fast bis zum Boden des Meeres.
„Schalten sie jetzt dem Strom ein“, ordnete Hellegren an. Im Hauptlabor des UBRI-Hauptquartiers oben auf den Klippen legte Johannson einen Hebel um. Es knisterte leise als der Strom durch die Kabel in die Maschen des Zauns floss.
Auf dem Bootsdeck knipste Hellegren das Wallied aus und wies seinen Steuermann an, das Schiff an die Anlegestelle zu fahren. Er schaute zufrieden zurück auf die große dunkle Gestalt, die im Wasser hinter ihnen ihre Kreise zog.
Die plötzliche Stille brachte Charley durcheinander. Er war Neris Stimme die ganze Strecke zu diesem merkwürdigen Ort gefolgt und jetzt sang sie nicht mehr. Er suchte nach einem Ausweg. Erst da bemerkte er, dass er gefangen war.
Auf ORCA hatte sich die Musik auf ein sanfteres Tempo verlangsamt und Jason führte Neri vorsichtig über die Tanzfläche. Sie bewegte sich unsicher, aber sie lächelte und ihre Augen leuchteten vor Freude.
Doch dann kam es ihr so vor, als hätte sie eine schwache Stimme von sehr weit weg gehört, ein kaum wahrnehmbarer Notschrei.
Jason missbilligte den Wechsel ihres Gesichtsausdrucks. „Ist alles in Ordnung?“ fragte er. Sie antwortete nicht. Verwirrt nahm er wieder ihre Hand tanzte weiter.
Eine Flutlichtbank leuchtete auf die Bucht. Hellegren schaute zufrieden aus dem UBRI-Labor von oben nach unten. Johannson und Billy standen neben ihm. Der Wal peitschte mit seiner riesigen Schwanzflosse auf das Wasser.
„Ich glaube, er will abhauen“, beobachtete Johannson.
„Lassen sie es ihn versuchen“, antwortete Hellegren. „Er wird seine Meinung bald ändern, wenn er diesen Zaun berührt.“
Charley konnte das offene Meer jenseits sehen. Er sammelte all seine Kraft für einen lauten Angstschrei.
Neri! Dann bewegte er sich in Richtung der Absperrung.
Als die Stimme durch Neri’s Kopf tönte, sah sie, wie langsam der Zaun vor ihren Augen auftauchte. Sie taumelte nach Luft schnappend rückwärts, riss sich von Jason los.
„Neri, was ist denn los?“
„Charley!“ sagte sie mit einer von Angst erstickten Stimme. „Ich muss zu ihm gehen.“
Sie konnte immer noch sehen, wie der Zaun näher und näher kam. Und dann kam Charley mit ihm in Berührung.
Neri wurde vom flammenden, brennenden Schock zurückgeschleudert, stolperte dabei in tanzenden Paare. Sie griff nach einer Metallwand um sich festzuhalten. Bei der Berührung schossen Funken aus ihren Fingern und regneten auf den Boden nieder. Jodie schrie. Froggy duckte sich um Schutz zu suchen. Im sich ergebenden Chaos rannte Neri durch die Tür. Jason und Brett brauchten erst einge Augenblicke, bis sie den Schrecken überstanden hatten und rannten hinter ihr her. Gerade, als sie am Hauptlift ankamen, schlossen sich die Türen und sie verschwand von ORCA.
Neri rannte zum Rand er Plattform, warf die Schuhe von sich, tauchte ins Wasser und begab sich in Richtung der Insel.
Charley war weg. Sie stand am Strand an der Mündung, rief seinen Namen und wartete verzweifelt auf eine Antwort. Doch es kam keine. Schließlich sank sie im Sand auf die Knie und wurde still, starrte mit leeren Augen auf das Meer.
So saß sie immer noch da, als die Jungen im ersten Licht des nächsten Morgens ankamen. Als sie aus dem Boot kletterten sahen sie ihre verzweifelte und durchnässte Gestalt, immer noch in den Überresten von Moms Kleid.
Sie kamen zu ihr und setzten sich neben sie.
„Ich bin zu lange in eurer Welt gewesen“, sagte sie schließlich ohne sie anzuschauen. „Ich habe nicht mehr auf Charley gehört. Und jetzt habe ich ihn für immer vorloren.“
„Nein, Neri“, sagte Jason leise. „Wir werden ihn wieder finden. Und wenn wir ihn gefunden haben, werden wir dir helfen ihn wieder nach Hause zu bringen, versprochen.“